Die Heldenreise als Blaupause fürs Leben
Die Heldenreise ist der Weg eines Helden durch sein Abenteuer. Es ist die Blaupause für jede Erzählung. Sie liegt als Schablone unter Filmen, Comics und Märchen. Deswegen interessieren sich Autoren von Hollywood-Filmen ebenso brennend für sie wie Marketingexperten. Dabei ist die Heldenreise mehr als eine Anleitung für gute Geschichten – sie hilft uns unser Leben besser zu verstehen und zu meistern!
Die Heldenreise besteht, grob gesagt, aus drei Teilen: Am Anfang verlässt der Held seine vertraute Umgebung und bricht auf in das Unbekannte. Dort erlebt er eine Prüfung, wobei er im Idealfall etwas gewinnt. Mit diesem Schatz kehrt er zurück in seine vertraute Umgebung. So weit, so einfach, so verständlich. Neben diesen drei Grundphasen gibt es übrigens viele weitere Stationen, die der Held auf seiner Reise durchlaufen kann. Aber woher stammt dieses Geschichtengrundgerüst?
Das Ursprung aller Geschichten: Der Monomythos
Von den alten Sumerern über die Aborigines bis hin zu den amerikanischen Ureinwohnern untersuchte der Mythenforscher Joseph Campbell mythische und religiöse Erzählungen. Schließlich fand er ein zugrundeliegendes Erzählmuster, das über Zeiten, Orten und Kulturen hinweg bestand: Er nannte es den Monomythos – oder halt: die Reise des Helden. (Ausführlich dazu in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“)
Unser ganzes Leben ist eine einzige Heldenreise.
Campbell sah in den Mythen einen Schlüssel, um Herausforderungen und Strukturveränderungen in unserem Leben zu bewältigen; heute würden wir sagen: um den Change zu bewältigen. Die Heldenreise ist damit ein Schlüssel, der uns quasi angeboren ist, und eine Methode, die der menschlichen Psyche entspricht.
Riten und Zeremonien: Den Mythos selbst durchleben
Dieses erzählerische Grundmuster findet sich auch in Initiationsriten. Es handelt sich dabei um Methoden, um Übergänge durch- und erlebbar zu machen und uns so zu erleichtern. Ob Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit oder Tod für jede einschneidende Wendung im Leben gibt es eine Zeremonie – in allen Kulturen und zu allen Zeiten.
Wie wichtig diese Riten für uns als Mensch sind, sehen wir in unserer eigenen Kultur, in der sich ein wachsender Teil von den organisierten Religionen abwendet. Dennoch feiern wir Hochzeiten und treffen uns zum Leichenschmaus wie eh und je. Der Grund: Ganz einfach, weil wir sie brauchen – die Riten und Zeremonien, die uns auf unserer Reise durchs Leben begleiten.
Initiationsriten: So funktionieren sie
Auch den Übergang vom Kind zum Erwachsenen durchlaufen Menschen seit Jahrtausenden mit Hilfe einer Zeremonie – der Initiation. Diese Initiationsriten folgen ebenfalls dem dreiteiligen Muster der Heldenreise aus Aufbruch, Prüfung und Rückkehr:
- Aufbruch: Verlassen der Gemeinschaft und Überschreiten der Schwelle
- Prüfung: Bewährung in der Anderswelt, der Schwellenzeit
- Rückkehr: Heimkehr und Aufnahme in die Gemeinschaft sowie Teilen des Erlebten
In indianischen Kulturen gingen die Heranwachsenden bei ihrem Initiationsritus auf eine Visionssuche. Sie verließen die Gemeinschaft und mussten mehrere Tage allein überleben. Diese Kulturen waren überzeugt, dass der Suchende auch die normale Welt verließ, in dem er eine Schwelle überschritt.
Während dieser Schwellenzeit – oder in der Anderswelt – nahm der Suchende Kontakt mit dem Göttlichen oder Unbewussten auf. Er bekam eine Vision seiner selbst. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck überschritt er am Ende ein zweites Mal die Schwelle: Er kehrte zurück in die Gemeinschaft und teilte seine Erkenntnis im Kreis der erwachsenen Stammesmitglieder, zu denen er nun zählte.
Selbst Held sein – oder der Heldenreise-Workshop
Wenn Heldenreise und Initiationsriten von so elementarer Bedeutung für uns Menschen sind, wieso sie dann nicht auch heute zur Selbsterfahrung nutzen? Paul Rebillot dachte sich etwas ähnliches und schuf ein mehrtägiges Heldenreisen-Seminar (Mehr dazu im Buch Die Heldenreise von Paul Rebillot). Hilfreich – aber wir brauchen nicht unbedingt bei jedem Anlass einen langwierigen Initiationsritus.
Um die Kraft der Mythen zu nutzen, gibt es auch andere, kürzere Wege. Den einfachsten beschreiten viele von uns übrigens auch in der modernen Gesellschaft tagtäglich: Wir lassen uns von Geschichten unterhalten! Aber bringt das was?
Geschichten: Wirklich nur unterhaltsam?
Ja, selbst wenn wir eine Geschichte nur hören, als Buch lesen oder als Film sehen, wirkt sie. Geschichten können unser Verhalten verändern! Es ist, als seien Geschichten unser ureigene Art Wissen und Erfahrungen weiterzugeben und anzueignen. Vor allem Wissen, wie wir schwierige Situationen bewältigen. Jonathan Gottschall nannte den Mensch daher in seinem gleichnamigen Buch „The Storytelling Animal“. Welche Ironie, wenn unsere selbsternannte aufgeklärte Gesellschaft oft genug das „Unterhaltende“ dem „Informativen“ als unterlegen ansieht.
Wie Geschichten uns den Weg zeigen
Wir können aber auch noch gezielter Geschichten nutzen, um zu lernen. Einer der Menschen, die mich auf meinem Weg begleiteten, empfahl mir vor Jahren das Buch „Der Alchemist“ von Paulo Coehlo (Und wer es von Ihnen tatsächlich noch nicht kennt, dem lege ich es hiermit wärmstens ans Herz). In dem Buch geht es um die Reise des Hirtenjungen Santiago, der seinem Traum folgt, von Spanien nach Afrika bis – aber mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.
Wie weit bin ich in meinem Abenteuer?
Auf meinem persönlichen Weg fragte mich mein Begleiter ab und zu: Und wo stehst du (im Vergleich zu Santiago)? Bist du noch in Spanien oder bereits in Afrika? Hast du deine Schafe schon verkauft? Hast du das eine schon verloren? Oder hast du das andere schon gewonnen? Diese Fragen haben mir geholfen, meinen eigenen Standort zu bestimmen. So habe ich meine Situation besser verstanden.
Was beruflicher Change mit der Heldenreise zu tun hat
Die Heldenreise ist also ein seit Jahrtausenden erprobtes und mächtiges Werkzeug, wenn ich Umbrüchen in meinem Leben bewältigen will. Und die berufliche Veränderung, sei es nun der Neuanfang in einer Abteilung, einer neuen Firma oder sogar in einem völlig anderen Beruf, ist ein solcher Umbruch. Daher beschreibe ich Ihnen in den nächsten Beiträgen die Suche und den Weg zu einem neuen Beruf anhand der Stationen der Heldenreise. Folgen Sie mir auf diesem teilweise spannenden, teilweise beängstigend, manchmal mühsamen, manchmal poetischen und hoffentlich lehrreichen Abenteuer des beruflichen Neustarts.
Meine Frage an Sie: Wie hat es Ihnen gefallen?
Wie spannend fanden Sie die Heldenreise? Schreiben Sie mir doch bitte in den Kommentaren, ob Ihnen der Blogpost gefallen hat, was noch fehlt, was hilfreich war und was nicht.