Mechthild Schroeter-Rupieper: Wenn Kinder trauern
#Eltern-Gedöns Episode #017
Trauer ist ein Gefühl, was hierzulande immer noch tabuisiert wird. Eigentlich ist Trauer lebenswichtig, wir brauchen das Gefühl, um mit Abschied, Verlust und Tod umgehen zu können. Um so wichtiger, das Kinder früh lernen zu trauern. Wie Eltern sie dabei unterstützen können, erklärt Familientrauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper im Interview in dieser Podcast-Folge.
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Mechthild Schroeter-Rupieper
Mechthild ist Familientrauerbegleiterin – und das seit 25 Jahren. Sie hat quasi die Familientrauerarbeit nach Deutschland gebracht. Heute hat sie ein eigenes Institut, bildet Trauerbegleiter aus, bietet Fortbildungen unter anderem für Erzieherinnen und Lehrer an und hat zahlreiche Bücher über das Thema geschrieben.
„Behalt die Oma so in Erinnerung, wie sie war.“
Tod und Trauer sind in unserer Gesellschaft mittlerweile Tabus. Manche Eltern versuchen ihren Kindern die unangenehmen Gefühle zu ersparen. Kinder werden nicht zu Beerdigungen mitgenommen. Oder Eltern sind selbst mit ihren Gefühlen überfordert und fragen zum Beispiel Mechthild, ob sie ihren Kindern die schlimme Botschaft überbringen könne. Dabei, so Mechthild, ist es so wichtig, dass Eltern ihren Kindern die schreckliche Nachricht sagen. Kinder wünschen sich, dass in einer solchen Situation ihre Eltern für sie da sind.
Trauer gehört in den Alltag.
Es ist wichtig, dass wir den toten Menschen sehen – auch und gerade als Kind. Auch den Tod können Kinder manchmal erst begreifen, wenn sie den Toten angefasst, „begriffen“ haben.
Wenn die Oma stirbt
Wir sollten viel mehr Anlässe nutzen, um traurig zu sein, so Mechthild. Eltern gibt sie das sehr unmissverständlich mit: „Irgendwann wird dein Kind dastehen und mit der Traurigkeit um deinen Tod umgehen müssen.“
Kinder vor Trauer schützen?
Mechthild plädiert dafür Kinder an die Hand zu nehmen und Trauer zu üben – gemeinsam. Außenvorlassen ist nicht schützen. Außenvorlassen ist Ausschließen. Und das verletzt oder verunsichert Kinder viel mehr, als mit ihnen gemeinsam durch die Trauer und Traurigkeit zu gehen.
Wenn Mama weint …
Traurigkeit ist ansteckend. Alle Gefühle sind ansteckend. Freude ist ansteckend. Wut ist ansteckend. Enkel ist ansteckend. Gefühle sind notwendig.
Wir können einen Verlust nur verarbeiten, wenn wir traurig sind. Wir brauchen also unsere Traurigkeit, um mit dem Verlust umzugehen.
Und es hilft, zusammenzusitzen und traurig zu sein. Wenn die Traurigkeit Raum hat, dann hat auch wieder Freude Platz.
Wenn wir Gefühle wie Trauer nicht zulassen
Das Problem, dass wir nicht traurig sein wollen. Wir werden erzogen, indem uns jemand sagt: Tut doch nicht weh. Stimmt aber nicht. Es tut weh. So erziehen wir unseren Kindern eine Wahrnehnungsstörung an, meint Mechthild. Deswegen sollten wir zuerst die Wahrnehmung bestätigen – und dann können wir schauen, wie wir einen Umgang damit finden.
Jungen weinen nicht
Leider ist es in unserer Gesellschaft immer noch so, dass Jungen sich das Weinen abgewöhnen. In der Grundschule fängt es schon an. Dabei sind Jungs genauso traurig wie die Mädchen. Aber was macht eine Junge nun, wenn er traurig ist und nicht trauern kann?
In unserer Gesellschaft beginnen auch Frauen sich für ihre Traurigkeit entschuldigen. Hier läuft etwas verkehrt, ist Mechthild überzeugt.
Wie mit Trauer umgehen?
Das Gefühl zuzulassen ist der erste Schritte. Aber es geht nicht nur darum zuschauen, sondern vielmehr eine Form zu finden. Eine Form, wie ich meine Trauer ausdrücken kann. Mechthild empfiehlt, Kinder miteinzubeziehen. Gemeinsam können Eltern und Kinder überlegen, was sie tun möchten und können.
Kinder könnten die Totenbriefe bemalen und sie in der Nachbarschaft verteilen – und so die Eltern tatsächlich ein stückweit entlasten. Kinder können den Sarg mit aussuchen. Es gibt viele Möglichkeiten. Im Podcast hat Mechthild noch viele Tipps parat, wie wir Kinder auch bei einer Beerdigung unterstützen.
Wieviel Trauer ist normal?
Die Traurigkeit wird immer da sein, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, sagt Mechthild. Aber der Schmerz verändert sich. Die Traurigkeit darf belieb. Sie hat etwas mit Liebe zu tun. Ohne Traurigkeit wäre Gleichgültigkeit da.
Wie bereiten wir Kinder auf Trauer und Tod vor?
Trauer ist mehr als nur die Traurigkeit über den Tod, so Mechthild. Trauer passiert immer, wenn ich etwas verliere, was mir wichtig ist. Daher sind auch die kleinere Abschiede, wie der Übergang zur Schule oder ein Umzug Anlass für Trauer. Zu den größeren Verlusten zähen neben Tod auch Scheidung und Flucht (Verlust der Heimat).
Buchtipps von Mechthild
Mechthild meint, Kinderbücher über Trauer gehören in jeden Familienhaushalt, in Kindergarten und Schule. Denn Kinder können erst Fragen stellen, wenn sie Wissen haben. Es braucht gar nicht den großen Abschied, den Tod, um sich mit Trauer zu beschäftigen. Über Abschied sprechen können wir im Herbst oder bei Veränderungen wie Abschied vom Kindergarten, bei kirchlichen Feiertagen.
Mechthild empfiehlt Bilderbücher – auch Erwachsenen, denn Trauernden haben oft nicht die Kraft und die Konzentration, um längere Texte zu lesen. Zwei Kinderbücher zum Einstieg sind „Wie der kleine rosa Elefant einmal sehr traurig war und wie es ihm wieder gut ging“ von Monika Witze und Eric Batet und „Hat Opa einen Anzug an?“ von Amelie Fried.
Über Mechthild Schroeter-Rupieper
Information zu Mechthilds Arbeit findest du auf ihrer Webseite familientrauerbegleitung.de und ihrer Facebook-Seite. Du kannst sie auch per E-Mail erreichen unter info@familientrauerbegleitung.de.
Mechthild hat eine ganze Reihe Bücher zur Trauerarbeit geschrieben. Sie selbst empfiehlt zum Einstieg folgende beide Titel:
Geschichten, die das Leben erzählt, weil der Tod sie geschrieben hat (ISBN: 978-3-8436-0882-4)
Für immer und anders. Das Buch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds (ISBN-10: 3796614566)
Alle Bücher von Mechthild und viele weitere Literaturempfehlungen von anderen Autoren, Filmtipps und das Ganze thematisch geordnet (Scheidung, Trauma, Suizid usw.) findest du unter familientrauerbegleitung.de/publikationen.html
Trauerarbeit unterstützen
Wenn du Mechthilds Arbeit unterstützen willst und Familien Trauerarbeit ermöglichen willst, die sich das sonst nicht leisten können, dann lege ich dir den Förderverein Lava Verein für Familientrauerbegleitung e.V. ans Herz.
„Trauer braucht ein Zuhause.“
Mechthild Schroeter-Rupieper
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Das ist ein wunderbares Interview zu einem so wichtigen Thema. Vielen Dank dafür. Den Vorschlag, dass Eltern auch ohne einen akuten Trauerfall Bücher zum Thema Trauer und Tod zu Hause haben sollten, fand ich sehr gut und nachvollziehbar.
Hi Maria,
oh, das freut mich, dass dir die Folge gefallen hat.
LG
Chris