• Wutanfälle: Warum die Beziehung zu deinem Kind (noch) nicht friedvoll ist

Eltern-Gedöns Episode #EG293

Bei dem Versuch bedürfnis-, beziehungs- oder bindungsorientiert (ich nenne sie liebevoll „die 3Bs“) ihr Kind zu begleiten, haben nicht wenige Eltern das Gefühl zu versagen.

Gerade wenn die Gefühle des Kindes sehr groß sind, insbesondere bei großer Wut oder Wutanfällen stoßen Eltern schnell an ihre Grenzen. Sind plötzlich mit eigenen großen Gefühlen konfrontiert.

Wenn das passiert: Entspann dich, du bist damit nicht allein. Ich habe 5 Gründe zusammengesucht, WARUM es nicht mit der friedvollen Begleitung klappt. Und ich sage dir, was du dann tun kannst.

5 Gründe, warum die Beziehung zu deinem Kind nicht friedvoll ist

1. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse

Der erste Grund, warum es mit der friedvollen Begleitung nicht klappt, mag sich banal anhören, aber häufig nehmen wir das nicht wirklich wahr und an (Ja, ich auch!).

Also, hier kommt die unangenehme Wahrheit: Du und dein Kind, ihr habt unterschiedliche Bedürfnisse, Wünsche, Ideen (und das zu unterschiedlichen Zeiten), wie eine Situation zu sein hat.

 Das ist so wichtig zu verstehen!

Das heißt nichts anderes, als dass Auseinandersetzung, Konflikt zum Leben dazugehört.

 Sorry, wenn ich dich an dieser Stelle enttäusche, aber das ist wirklich ganz wichtig zu verstehen.

 Ich sehe das auch in Paarberatungen so oft, dass es da ein Missverständnis gibt, die Idee, dass wir immer irgendwie so einen Konsens hätten oder so, dass wäre die ideale Partnerschaft, wenn wir immer das Gleiche wollen würden.

 Ja natürlich wäre das einfach.

  Das verstehe ich auch.

Und es ist auch völlig okay zu sagen, ich möchte nicht, dass es so gewaltvoll, so aggressiv ist unsere Auseinandersetzung.

Da bin ich völlig bei dir.

Nur zu glauben, dass man immer das Gleiche möchte, das ist einfach ein Fehlschluss.

Das gilt sowohl für die Paar-Beziehung als auch für die Eltern-Kind-Beziehung.

 Und: Ja, ich habe lange gebraucht, dahin zu kommen.

Ich hatte auch diese Hollywood-Kitsch-Vorstellung in meiner Partnerschaft mit meiner Frau lange mit mir rumgetragen und war dann sehr beleidigt, wenn sie dann nicht mit mir sonntags einen Spaziergang machen wollte, weil sie da einfach keine Lust zu hatte.

Wir sind als Menschen  Individuen.

 Wir kommen mit einem hohen Bedürfnis nach Autonomie auf die Welt.

 Und ja, wir sind auch soziale Wesen auf der anderen Seite, mit einem hohen Bedürfnis nach Verbindung.

 Und diese beiden Dinge, diese beiden Bedürfnisse, scheinen manchmal auf den ersten Blick sich zu widersprechen.

 Tatsächlich bedingt sich Autonomie und Verbindunge.

 Also Verbindung, Bindung ist quasi die Grundlage und aus dieser Verbindung heraus, wie bei der Entwicklung des Embryos, des Babys später auch, kann sich das Kind frei entfalten. 

Es ist tief verbunden und daraus kann die autonome Entwicklung geschehen.

Wir brauchen beides.

Und so ist es auch in Beziehung, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben und das manchmal wie ein Widerspruch aussieht.

Es braucht also eine bestimmte Form, wie wir einen Konsens finden oder wie wir uns auseinandersetzen.

Leider, leider haben die wenigsten von uns gelernt, wie so eine Auseinandersetzung friedvoll gehen kann – und damit sind wir bei Punkt 2 angelangt.



2. Wir haben es (noch) nicht gelernt

Wir haben es noch nicht gelernt – und mit „wir“ meine ich tatsächlich mein Kind und mich.

Oder: Dein Kind und dich.

Dein Kind hat es noch nicht gelernt, weil es einfach noch so klein ist, weil es vielleicht von der Entwicklung noch gar nicht so weit ist, dass es friedvoll Auseinandersetzung führen kann!

Es ist ein Kind und es darf vieles noch lernen und es braucht dazu einfach Menschen, die es begleiten.

  • Menschen, die das vorleben.
  • Menschen, die es unterstützen und Verständnis aufbringen, wenn es noch nicht klappt.
  • Menschen, die große Gefühle Halt geben können,
  • Menschen, die vielleicht schon selbst ein Stück des Weges gegangen sind.

Und damit sind wir bei Punkt 3:



3. Die Crux mit der eigenen Kindheit

Viele, viele von uns haben das leider nicht gelernt in ihrer eigenen Kindheit.

Ganz im Gegenteil:

Sie haben in der eigenen Kindheit Dinge erfahren, die ungünstig waren.

Und diese ungünstigen Erfahrungen, diese belastenden Dinge, ja auch diese Verletzungen, die kommen nicht selten hoch in der Begegnung mit dem eigenen Kind.

Und das hat mehrere Gründe.

Häufig ist es so, dass quasi unser „inneres Kind“, wenn man das so nennen möchte, sich quasi erinnert an ein ähnliches Alter, in dem gerade unser eigenes Kind ist.

Ich höre das häufig in Beratung oder Therapiesitzung: „Ja, bis jetzt war alles gut und es lief alles wunderbar. Seit kurzem, da habe ich immer Ärger mit meiner Tochter oder meinem Sohn.“ Und dann kommt raus, dass in der Kindheit des Klienten etwas Einschneidendes passiert ist, als der Klient genauso alt war, wie sein Kind heute ist. 

Unbewusst wird diese Erinnerung dann wieder wachgerufen und wir überreagierend in einer Situation mit unserem Kind. 

 Das wäre eine Möglichkeit.

Überhaupt: Wenn wir in einer Situation mit unserem Kind überreagierend, dann könnte das ein Hinweis darauf sein, dass der Grund für die Heftigkeit der Reaktion eben nicht in der aktuellen Situation zu finden ist.

Das kann auch durch die akute Stressbelastung geschehen – womit wir beim nächsten Punkt wären:




4. Elternsein ist ein Stress-Faktor

Auch wenn das allen Insta-Heile-Eltern-Welt-Bildern widerspricht: Eltern sein ist einfach super, super stressig in unserer Gesellschaft.

Wusstest du, dass Elternsein zum Beispiel ein Armutsrisiko ist?

Und für Alleineerziehende gilt das noch in einem viel größeren Maße!!!

Finanzielle Sorgen sind Belastungsfaktoren (die messbar auf die Gesundheit durchschlagen!):

Trotz aller vermeintlicher finanziellen Wohltaten, die unser Staat sich immer mehr ausdenkt, ist Elternsein für viele Eltern Stress.

Es hat etwas zu tun mit der grundlegenden fehlenden Unterstützung im Außen. Das hat etwas tun mit unserer Gesellschaftsform, es  hat etwas zu tun mit der Schnelligkeit in der wir leben und so weiter und so fort.

Es ist kein Zufall, dass Stresserkrankungen zunehmen oder das Müttergenesungswerk Alarm schlägt, weil die Zahlen der Eltern, die eine Kur brauchen immer weiter steigen.

Elternsein ist – leider – für viele Stress.

Die Gesellschaft wirft uns auch noch auf eine weitere Weise Knüppel zwischen die Beine – das wäre dann Punkt 5 in unserer Liste:

5. Unerfüllbare Erwartungen und Bilder

Die Gesellschaft produziert auch eine Menge Bilder, wie Eltern zu sein haben. Wie Kinder zu sein haben. Wie überhaupt Menschen zu sein haben.

Vieles von diesen Bildern ist allerdings weder hilfreich noch realistisch.

Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: Etliche Bilder widersprechen sich sogar!!!

Ein Beispiel: Unterschiedliche Mutterbilder in Ost und West (Nora Imlau hat das ausführlich in einem ihrer Bücher beschrieben).

In der DDR gab es das Bild der berufstätigen Mutter. In der BRD gab es das Bild der Mutter als Hausfrau.

Nach der Wende (die ja schon über 30 Jahre her ist!!!) haben sich beide Bilder verbreitet: Jetzt soll eine Mutter also für ihr Kind aufopferungsvoll da sein und Karriere machen (udn für ihre Rente aufkommen).

Diese beiden Bilder kollidieren an vielen Stellen ganz erheblich – auch weil die GEsellshaft immer noch nicht die Voraussetzungen geschaffen hat, dass ich mit Kind arbeiten kann (Stichwort: Betreuungsplatz).

Und: Egal, wie ich es als Mutter mache, ich mache es falsch – das ist vielleicht eine Erfahrung, die viele Mütter kennen:

  • arbeite ich, dann wird mir vorgeworfen ich sei eine Rabenmutter
  • bleibe ich zuhause bin ich eine Glucke oder Hausmütterchen

Und das ist nur ein Teil der Vorstellungen und Erwartungen und innerer Bilder, die in der Gesellschaft kursieren.

Es gibt natürlich auch Ideen, wie Kinder zu sein haben (brav, leise, strebsam, folgsam etc.).

Das alles hat nichts oder weniger mit kindlicher Entwicklung zu tun oder dem, was kleine udn große Kinder an Begleitung brauchen.

Doch diese unrealistischen Bilder wirken bei vielen und plötzlich spüre ich als Elternteil, dass ich dem nicht entspreche, was mich unter Druck setzt (s.oben Stress).



Dein Weg aus der Misere

Hier kommt meine Empfehlung: 

Schau dir an, bei welchen der fünf Punkte es bei dir hakt. Wo liegt der Hase im Pfeffer? 

An diesem Punkt kannst du ansetzen.

Also wenn du merkst, dass du jetzt viel Stress hast, dann ist es eventuell eine gute Idee da jetzt mal einen Gang niedriger zu schalten und ganz konkret aus deinem Tagesprogramm etwas zu streichen.

Wenn du erkennst, dass das an inneren Bildern liegt, Erwartungen, die du nicht erfüllen kannst, dann schau dir diese Glaubenssätze an.

Spürst du, dass es um Dinge geht, die in deiner eigenen Biografie liegen, dann schau dir das an – und sei es dir gegebenenfalls wert, dich begleiten zu lassen.

Wenn du möchtest, dass ich dich auf diesem Weg begleite, dann tue ich das sehr gerne.

Ich bin für dich in 1:1-Begleitungen da, bei Themen der Wut der Kinder lege ich dir mein Programm Wut, mach’s gut ans Herz und wenn es darum geht dich von äußeren Erwartungen zu befreien und deinen eigenen Weg zu gehen, dann lege ich dir unser Wochenende In Verbindung ans Herz.


Foto: Mona Dadari

Vielleicht kannst du es dir angesichts von ständiger Wutanfälle, Schreien und Toben gerade kaum vorstellen – doch wie wäre es, wenn du selbst bei Wutausbrüchen deines Kindes ruhig bleibst, dein Kind beziehungsorientiert begleitest und ihm so beibringst sich selbst zu beruhigen?!

(Und lernst dich selbst zu beruhigen?!)